Rudolf Redlinghofer wurde am 31. Oktober 1900 in der Wiener Alservorstadt geboren und Anfang der 30er Jahre ein Bibelforscher - wie man Jehovas Zeugen damals auch nannte. Er wohnte mit seiner Frau Agnes (geboren am 8. Juni 1909 in Herrenbaumgarten, Bezirk Mistelbach) ab März 1932 in Krems, Spitalgasse 3.
Den Lebensunterhalt für die Familie verdiente er sich durch seine Arbeit als Maurergehilfe bei der Baufirma Schumm (Ehgartner) in Krems (siehe untenstehendes Video). Schon kurz nach der Hochzeit stellte sich Nachwuchs ein: Regina wurde am 3. November 1937 im Krankenhaus Krems geboren – ein aufgewecktes Mädchen.
Bereits im September 1938 wurde er in einem Prozess wegen Religionsstörung zu drei Monaten verurteilt. Der Grund war seine Beteiligung an der Verbreitung des Buches "Harmagedon - die größte Schlacht aller Zeiten". Dabei zeigte sich, dass Redlinghofer ein mutiger Mann war.
Der Historiker Robert Streibel schreibt in seinem Buch "Krems 1938-1945 - Eine Geschichte von Anpassung, Verrat und Widerstand" (S. 362) darüber:
Durchaus Mut bewies der zu drei Monaten verurteilte Redlinghofer, als er dem Richter zu bedenken gab, dass dieser nicht vergessen dürfe, „dass auch er einmal vor das Angesicht Gottes treten müsse".
Am 25.07.1939 bekam Rudolf Redlinghofer den Einberufungsbefehl zur Ableistung einer mehrwöchigen Übung beim Übungs-Pferde-Lazarett-Langenlois. Da er es aufgrund seiner Gewissensüberzeugung ablehnte, den Krieg zu unterstützen, sandte er am 05.08.1939 einen Brief an das Wehrmeldeamt Krems in dem er mitteilte, dass der nicht bereit sei einzurücken um im Krieg für Hitler zu kämpfen, sondern dass er ein friedlicher "Soldat Christi" sei. Rudolf Redlinghofer leistete dem Einberufungsbefehl nicht Folge und wurde vorläufig auf freiem Fuß belassen.
Die Gendarmerie Krems verhaftete ihn dann am 18. August 1939 im Auftrag der Gestapo-Außenstelle St. Pölten und lieferte Redlinghofer in das Gefangenenhaus Krems ein. Am nächsten Tag erfolgte die
Überstellung in die Gestapo-Außenstelle St. Pölten.
In St. Pölten versuchte man zunächst seinen Widerstand zu brechen. Zu diesem Zweck wurde seiner Frau befohlen, mit dem kleinen Kind vor dem Verhandlungssaal Aufstellung zu nehmen um auf ihren
Mann, den man an ihr vorbeiführte, Druck auszuüben um seine standhafte Entscheidung zu revidieren.
Rudolf Redlinghofer blieb jedoch seiner Überzeugung treu.
Er wurde daraufhin am 13. November 1939 in das Untersuchungsgefängnis nach Berlin Alt-Moabit überstellt. Dort wartete er auf seine Gerichtsverhandlung. Diese fand vor dem Obersten
Reichskriegsgericht am 9. Dezember 1939 um 11 Uhr vormittags statt. Der 3. Senat des Reichskriegsgerichtes verurteilte ihn unter der Anklage von Oberkriegsgerichtsrat Dr. Burckhardt wegen
Zersetzung der Wehrkraft zum Tod und zum Verlust der Wehrwürdigkeit. Ein Verteidiger war laut Protokoll nicht zugegen. Gleichzeitig wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit
aberkannt. Unterschrieben wurde das Urteil „Von Rechts wegen, gezeichnet Schmauser, v. Goeldel, Schrot, Büscher, Block". Das Urteil wurde am 21. Dezember 1939 vom Präsidenten des
Reichskriegsgericht bestätigt.
Ende Dezember wurde Rudolf Redlinghofer daher in die Strafanstalt Berlin-Plötzensee überführt wo er am 30. Dezember 1939 um 9.30 Uhr eintraf.
Nach einigen wenigen Tagen im Gefängnis in Berlin-Plötzensee wurde er schließlich am Donnerstag, den 11. Januar 1940 gegen 6 Uhr früh von zwei Wachmännern von seiner Gefängniszelle zur
Richtstätte geführt. Dort, hinter einem dicken schwarzen Vorhang, wartete bereits das Fallbeil auf ihn. Nach dem nochmaligen Verlesen des Urteils wurde Rudolf Redlinghofer mit auf den Rücken
gefesselten Händen auf die Guillotine gelegt und enthauptet.
Am 12. Januar 1940 informierte das Reichskriegsgericht das Wehrmeldeamt Krems über die Vollstreckung des Urteils. Für seine Frau Agnes und seine damals zweijährige Tochter begann damit eine sehr
schwierige Zeit. Agnes Redlinghofer versuchte als Haushaltshilfe und Wirtshausköchin den Unterhalt zu verdienen. Sie übersiedelte später in die Heinemannstraße 5, wo sie bis zu ihrem Tod 1989
wohnte. Ihre Tochter Regina heiratete 1955 und wurde schließlich Mutter von drei Kindern.
Agnes Redlinghofer hob ihrer Tochter und ihren Enkelkindern gegenüber immer wieder hervor, dass sie die Standhaftigkeit Ihres Mannes - als Zeuge Jehovas Hitlers Machtwahn nicht zu unterstützen -
immer respektierte und achtete.
Ein Glaubensbruder von Rudolf Redlinghofer - Peter Gölles - befand sich in Stein bei Krems in Gefangenschaft. Am 6. April 1945 sollten - aufgrund des Herannahens der russischen Truppen - alle
Gefangenen freigelassen werden und damit die Haftanstalt geräumt werden. Am Vormittag verliefen die Entlassungen ohne Probleme, aber am Nachmittag kam es zum Massaker von Stein.
Am Nachmittag kam der Befehl, alle in der Umgebung von Krems aufgegriffenen entlassenen Häftlinge wieder einzufangen und zu töten. So wurden nicht nur zahlreiche Häftlinge im Stadtgebiet von
Krems ermordet, auch in der weiteren Umgebung in Hadersdorf am Kamp, Hörfarth, Paudorf und an anderen Orten wurden Massenerschießungen vorgenommen.
Peter Gölles entkam noch bei guter Gelegenheit aus der Haftanstalt Stein. Auf Schleichwegen begab er sich zur Wohnung von Agnes Redlinghofer, in der Spitalgasse 3. Agnes gab ihm daraufhin einen
Anzug ihres in Berlin-Plötzensee hingerichteten Mannes Rudolf. Mit diesem Anzug konnte Peter Gölles den Erschießungen entgehen und gut behalten nach Wien zurückkehren. So rettete der Anzug des
hingerichteten Rudolf Redlinghofer einem seiner Glaubensbrüder das Leben.
Rudolf Redlinghofer wurde 58 Jahre nach seiner Hinrichtung von der Republik Österreich rehabilitiert. Am 14.10.1998 hob das Wiener Landesgericht das einstige Nazi-Unrechtsurteil auf. Seine Rehabilitierung ist mehr als nur ein Formalakt der Justiz.
Es wird dadurch seine Gewissensentscheidung entsprechend gewürdigt und sein Schicksal der Vergessenheit entrissen. Zudem wird dadurch deutlich untermauert, dass Gewissenstreue kein Verbrechen darstellt.
Am 23. Juni 2009 wurde in Krems an der Donau in der Spitalgasse 3 an der letzten Wohnadresse von Rudolf Redlinghofer ein Stoplerstein gelegt. Der Kölner Künster Gunter Demnig, der mittlerweile
mehr als 20.000 Stolpersteine in Europa gelegt hat, setzte so ein Zeichen der Erinnerung an Rudolf Redlinghofer. Da das ehemalige Wohnhaus mittlerweile abgerissen wurde, liegt der Stolperstein
auf einer dort errichteten Verkehrsinsel.
-> Bilder von der Stolpersteinverlegung
Rudolf Redlinghofer war aber nicht der einzig Betroffene, der wegen seiner Gewissensüberzeugung hingerichtet wurde. Vieler seiner Freunde aus Krems, St. Pölten oder Tulln wurden ebenfalls verhaftet und die Mehrzahl von ihnen starben an den Folgen der Misshandlungen oder wurden hingerichtet.
-> Siehe: Freunde von Rudolf Redlinghofer
All diese Opfer bewahrten eine kompromisslose Haltung gegenüber der NS-Diktatur und stellten sich aufgrund ihres Gewissens konsequent gegen ein menschenverachtendes Regime.
Im Unterschied dazu unterstützten die österreichischen Bischöfe ganz offen und freudig das nationalsozialistische Regime (siehe beglaubigte Abschrift ihrer Erklärung vom März 1938 aus dem Nachlass von Agnes Redlinghofer unter -> Dokumente).
25.07.1939 | Einberufungsbefehl zur Ableistung von mehrwöchigen Übungen |
05.08.1939 | Schreiben an Wehrmeldeamt Krems mit der Ablehnung des Militärdienstes |
18.08.1939 | Verhaftung und Überstellung nach St. Pölten |
13.11.1939 | Überstellung in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit |
09.12.1939 | Verhandlung vor dem Obersten Reichskriegsgericht - zum Tode verurteilt |
21.12.1939 | Bestätigung des Todesurteils durch den Präsidenten des Reichskriegsgerichts |
30.12.1939 | Überstellung in die Strafanstalt (Hinrichtungsanstalt) Berlin-Plötzensee |
11.01.1940 | Hinrichtung um 6:10 Uhr morgens durch das Fallbeil |
14.10.1998 | Aufhebung des seinerzeitigen NS-Unrechtsurteils durch das Wiener Landesgericht und damit völlige Rehabilitierung |
23.06.2009 | Verlegung eines Stolpersteins durch den Künstler Gunter Demnig |
Zeitzeuge Karl Fügerl arbeitete in jungen Jahren mit Rudolf Redlinghofer zusammen und gibt einige seiner Erinnerungen über Redlinghofer wieder.
Das Interview wurde am 19.1.2007 in Ober-Meisling (Gemeinde Gföhl) aufgenommen.
Karl Fügerl verstarb noch im Jahr 2007.